So halten Sie Coronaviren aus dem Reinraum – Interview mit Dr. Rüdiger Laub

Die Corona-Pandemie stellt auch Reinraum-Betreiber vor neue Herausforderungen. Wie können sie ihre Mitarbeiter schützen und die Produktion aufrechthalten?

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21 April 2020 Cleanrooms

Das Coronavirus SARS-CoV-2 stellt auch die Betreiber von Cleanrooms vor große Herausforderungen. Denn gerade im Reinraum ist es wichtig, dass Viren und Bakterien nicht über Mitarbeiter oder deren Kleidung hineingelangen. Aber kann das wirklich gelingen?  Wo liegen die Stolperfallen und wie kann man ihnen begegnen? Dr. Rüdiger Laub, Leiter Reinraumakademie der profi-con, gibt Auskunft.

Herr Dr. Laub, kann man verhindern, dass SARS-CoV-2 in den Reinraum gelangt?

Nein - vollständig verhindern kann man das Eindringen von Viren in Reinräume nicht.

Allerdings kann man viel dafür tun, dass das Virus nicht den Weg in den Reinraum findet – beispielsweise durch die entsprechende Reinraumkleidung wie Brille, Handschuhe und andere Schutzmaßnahmen. Und natürlich die Sensibilisierung der Mitarbeiter in Form von Schulungen und Unterweisungen. Von ihrem Verhalten ist das Gefährdungspotenzial abhängig. Allerdings wird es auch bei größter Vorsicht keine 100% ige Sicherheit geben. Denn die Schwachstelle ist der Mitarbeiter selbst. Aufgrund der langen Inkubationszeit können Mitarbeiter das Virus in sich tragen und damit auch übertragen, ohne dass sie wissen, dass sie krank sind.  Beispielsweise, weil sie noch keine Symptome spüren.

Vorausgesetzt, es sind ausreichend Tests verfügbar, könnte Reinraumpersonal in sog. „kritischer Infrastruktur“ – beispielsweise in Reinräumen von Klinikapotheken – in sehr kurzen Abständen oder bei Vorliegen von Verdachtsmomenten präventiv getestet werden. Grundprinzip: Früh erkennen - früh aus den Prozessen herausnehmen - Risiko senken.

Angenommen, ein Reinraum-Mitarbeiter wurde positiv getestet, weist aber keine klinischen Zeichen der Erkrankung auf. Wie sollte man sich dann verhalten?

Hier ist die Antwort ganz klar: Jeder, der positiv auf das neuartige Coronavirus getestet wurde, sollte sich sofort in häusliche Isolation, also in Quarantäne begeben. Dies ist die klare Empfehlung des Robert Koch-Instituts. Alle weiteren Maßnahmen müssen in betrieblichen Pandemieplänen festgelegt sein bzw. sind mit dem Arzt oder den Gesundheitsbehörden zu besprechen.  

Wie lange fällt der Mitarbeiter dann aus? Oder anders gefragt: Unter welchen Voraussetzungen kann ein positiv getesteter Mitarbeiter seine Arbeit wieder aufnehmen? 

Auch diese Entscheidung sollte der Arzt oder der Betriebsarzt treffen. Trotzdem gibt es natürlich Regeln, die eine erste Orientierung geben. Handelt es sich um „Personal für kritische Infrastruktur“ – also Personal im Gesundheits- und Sozialwesen – darf die Arbeit frühestens 14 Tage nach Auftritt der ersten Symptome wieder aufgenommen werden, sofern der Mitarbeiter 48 Stunden symptomfrei ist. In diesen Fällen geht man davon aus, dass der oder die Betroffene immunologische Abwehr entwickelt hat.

Kommen wir zum Thema Prävention: Welche zusätzlichen Schutzmöglichkeiten empfehlen Sie aktuell für Reinraumpersonal, um die Übertragung des Coronavirus in den Reinraum zu verhindern?

Grundsätzlich bilden die Schleusenprozesse, die Reinraum-Kleidung, das Personalverhalten sowie die Reinigungs-und Desinfektionsmaßnahmen sehr wirkungsvolle Barrieren gegen das Eindringen von Viren; SARS-CoV-2 ist aber besonders tückisch und zwingt zu weiterführenden Maßnahmen.  In dieser außergewöhnlichen Situation ist ein Mehr an Schutz daher sinnvoll. Deshalb empfehle ich folgende ergänzende Maßnahmen, um die Risiken möglichst minimal zu halten: Prinzipiell sollte sich aktuell immer nur eine Person in den Schleusen, die direkt zu den Herstellungsbereichen führen, aufhalten.  Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Schutzkleidung – beispielsweise Gesichtsschutz. Dieser sollte jetzt auch in den Reinheitsklassen, in denen das nicht standardmäßig vorgesehen ist, gelten - also auch in den GMP-Reinheitsklassen D und C; ISO Reinheitsklassen ISO 9 bis ISO 6.  Da das Virus über die Hände weiterverbreitet werden kann, sind aktuell zudem in allen Reinräumen Handschuhe ein Muss – auch wenn es für die Reinraumklasse nicht vorgesehen ist. Zusätzlichen Schutz bieten Reinraumtücher, mit denen Flächen und anderes bei Bedarf gesäubert werden können.

Wichtig ist auch das Verhalten des Mitarbeiters selbst. Das Sprechen muss auf ein Mindestmaß begrenzt werden; am besten gar ist es, gar nicht zu reden und Alternativen für die Kommunikation zu nutzen wie z.B. Memoboards. Falls ein Mitarbeiter husten oder niesen muss, sollte er oder sie keinesfalls den Mundschutz, die Brille oder andere Schutzkleidung vom Gesicht nehmen, sondern den Gesichtsbereich mit mehreren Reinraumtüchern bedecken. Ansonsten verbreiten sich Viren und Bakterien ungehindert im Reinraum, der umgehend desinfiziert werden müsste. Nach dem Husten oder Niesen sollte der Mitarbeiter mit weiterhin bedecktem Gesicht unverzüglich die Personenschleuse aufsuchen. Hier erst Reinraumtücher vom Gesicht nehmen, Reinraum-Tücher entsorgen, Kleidung bei Bedarf wechseln und die Hände desinfizieren. Sorgfältige Händehygiene ist überhaupt eine wichtige Maßnahme gegen die Verbreitung des Virus – auch im Reinraum.

Dass Viren häufig von Hand zu Hand gereicht werden, ist unstrittig. Aber kann das Virus auch über Material in den Reinraum bzw. in die Herstellprozesse gelangen?

Grundsätzlich ja. Denn Viren können auf Oberflächen eine bestimmte Zeit überleben. Zur Minimierung dieses Risikos sind deshalb verstärkte Schutzmaßnahmen zu etablieren, beispielsweise indem eine zusätzliche Vorreinigung stattfindet und Oberflächen häufiger als sonst desinfiziert werden. Zudem sollte man aktuell darauf achten, nur notwendige Dinge und Oberflächen anzufassen und so eine Re-kontaminierung zu vermeiden.

Angenommen, ein Mitarbeiter ist mit dem neuartigen Coronavirus infiziert bzw. es besteht ein solcher Verdacht. Was kann ich tun, damit in einem solchen Fall nicht die gesamte Produktion gefährdet ist? 

Ein möglicher Ansatz ist es, zwei oder mehrere Teams mit nicht wechselnder Zusammensetzung zu bilden. Wichtig ist dabei, dass diese Teams keinerlei Kontakte untereinander haben. Wenn ein Mitarbeiter erkrankt oder infiziert wird, sind die Kontaktpersonen nur innerhalb dieses Teams betroffen. Alle anderen Teams können hingegen weiterarbeiten. Dabei sollte auch bedacht werden, dass die zeitlichen, organisatorischen und weitere Anforderungen steigen. Entsprechend sind die arbeitsrechtlichen Vorschriften hinsichtlich dieser Strategie zu prüfen, Ausnahmeregelungen zu definieren und ggf. abzustimmen. 

Sie sind Leiter der Reinraum-Akademie von profi-con. Präsensschulungen mit mehreren Personen sind gegenwärtig nicht möglich. Welche anderen Schulungsmöglichkeiten gibt es? 

Hier gibt es verschiedene Varianten wie Leseschulung, E-Learning oder auch die individuelle Einweisung. Auch Videokonferenzen ermöglichen die Schulung ohne physische Anwesenheit. Gerade jetzt ist es wichtig, Mitarbeiter für die Risiken, die von Viren wie SARS-CoV-2 ausgehen, zu sensibilisieren, damit sie ihr Verhalten anpassen und die Infektionskette unterbrechen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Rüdiger Laub hat nach seinem naturwissenschaftlichen Studium viele Jahre in Forschung und Entwicklung gearbeitet. Als Herstellungsleiter hat er neue Konzepte für Reinraumanlagen erstellt, die Qualifizierung von Reinräumen begleitet sowie die erforderlichen Hygieneprogramme entwickelt und umgesetzt. Seit 2018 ist er Leiter der Reinraum-Akademie.  Neben Schulung und Lehrtätigkeit ist Dr. Laub auch für die Beratung unserer Kunden sowie das Qualitätsmanagement zuständig.

Die Reinraum-Akademie von profi-con vermittelt mit fest angestellten und erfahrenen Trainern seit 2008 Jahren Wissen zum Verhalten in Reinräumen, zur Reinigung und zu regulatorischen Anforderungen. Je nach Kundenanforderungen geschieht dies in Form von Tagestrainings in den Trainingszentren in Leipzig, Aschaffenburg oder Marburg. Coachings oder Inhouse-Schulungen finden vor Ort in den Räumlichkeiten der Kunden statt.