Ein Jahr GMP Annex 1: Experteninterviews Teil 2

Unsere Reinigungsexperten sprechen über ihre Alltagserfahrungen in der Reinigung rund um den GMP Annex 1 und geben Tipps was zu beachten ist. 

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14 November 2024 Cleanrooms

Unsere kleine Info-Serie geht heute weiter mit unseren Reinigungsexperten David Stolper, Cleaning Sales Spezialist DACH, Mike Verkuijlen, Sales Manager Benelux sowie Laura Giblin, Quality Manager IRE von CWS Cleanrooms Cleaning. 

Welche neuen Anforderungen stellt der GMP Annex 1 an die Reinraumreinigung?

“Abschnitt 4 beschreibt, dass die vorherige Reinigung zur Entfernung von Verunreinigungen und Desinfektionsmittelrückständen für eine nachgewiesen wirksame Desinfektion immer separat durchgeführt werden sollte.

Gereinigt und desinfiziert werden sollte grundsätzlich immer nach validierten, schriftlich festgelegten Arbeitsanweisungen (SOPs) und ausschließlich durch geschultes Personal.”, erläutert David Stolper. 

Cleanrooms Cleaning Flächendesinfektion

Wie wirkt sich die Richtlinie in der Praxis auf die Reinigungskonzepte unserer Kunden aus? Ist die Implementierung für alle gleich gut umsetzbar?

“Die Implementierung der Richtlinie betrifft in der Reinraumreinigung damit folgende fünf Bausteine:

  1. Reinigung und Desinfektion sind zwei getrennte Schritte.
  2. Reinigungs- und Desinfektionsmittel müssen geeignet sein. Das bedeutet, sie müssen wirksam gegen die vorhandenen Mikroorganismen und gleichzeitig idealerweise rückstandsfrei bzw. rückstandsarm (Risikobewertung) einsetzbar sein.
  3. Die Reinigungsaktivitäten müssen regelmäßig überwacht werden.
  4. Diese Überwachung muss entsprechend dokumentiert werden.
  5. Reinigungspersonal ist für die Einhaltung der Richtlinie zu schulen.

 

Mike Verkuijlen berichtet für die Benelux Region: “mit unseren GMP-Kunden führen wir alle drei Monate eine Bewertung durch, ermitteln mögliche Abweichungen und optimieren die Prozesse, falls erforderlich. Generell sind Umstellungen bzgl. der Arbeitsanweisungen (SOPs) für Unternehmen, die nach GMP-Leitfaden produzieren überwiegend sehr zeit- & kostenintensiv.” 

Digital aufgestellte Firmen haben einen klaren Vorteil“, ergänzt David Stolper. Der Sachverhalt, dass jede Organisation die Reinheit und Qualität ihrer Reinraumreinigung selbst sicherstellen und dokumentieren muss, kann zu komplexeren Abläufen führen. Wenn man dieses Reporting bereits digital aufgegleist hat, minimiert das den Verwaltungsaufwand drastisch.”

Laura Giblin ergänzt aus QM Sicht: “Unsere Kunden aus der Pharmaindustrie sind sich der Entwicklung der Kontaminationskontrollstrategie (CCS) bewusst. Die Produktauswahl und die Rotation ihrer Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen sind von entscheidender Bedeutung. Die Kunden müssen mehr als eine Art von Desinfektionsmittel verwenden, um sicherzustellen, dass die kombinierte Verwendung wirksam gegenüber dem vorhandenen Hauskeimspektrum ist. Wie in Abschnitt 4 beschrieben, sollten Desinfektions- und Reinigungsmittel, die in Bereichen der Klassen A und B verwendet werden, vor der Verwendung steril sein. Für Desinfektionsmittel, die in den Klassen C und D verwendet werden, kann ebenfalls Sterilität verlangt werden, sofern dies im CCS festgelegt ist.“

Desinfektionsmittel können nach Prüfung der Kontaminationsrisiken und der Umgebungsüberwachungs-Daten (UÜ-Daten) in der Einrichtung vorgeschlagen werden. Validierungsstudien sollten die Eignung und Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln für die spezifische Art ihrer Verwendung und für die Art des Oberflächenmaterials oder, falls gerechtfertigt, für repräsentatives Material nachweisen und die Haltbarkeitsdauer der zubereiteten Lösungen belegen.

Unsere Kunden aus dem Bereich der Medizinprodukte bemühen sich, die allgemeinen Grundsätze des Anhangs anzuwenden, wo dies möglich ist. Entscheidet sich ein Hersteller für die Anwendung der hierin enthaltenen Leitlinien auf nicht sterile Produkte, sollte er klar dokumentieren, welche Grundsätze angewandt wurden und bestätigen, dass die Einhaltung dieser Grundsätze nachgewiesen wurde.“

Cleanrooms Cleaning Wandreinigung

Könnt ihr Beispiele für Herausforderungen nennen, mit denen sich Unternehmen bei der Einhaltung konfrontiert sehen?

Grundsätzlich sagt Laura Giblin aus QM Sicht: “Kunden aus der pharmazeutischen Industrie müssen sicherstellen, dass die in ihren Produktionsstätten verwendeten Biozidprodukte in dem jeweiligen Land, in dem sie tätig sind, auch registriert sind. Der Verkauf oder die Verwendung eines nicht zugelassenen Biozids gemäß der Biozidproduktverordnung (BPR) in Europa ist sonst illegal. Die BPR bietet eine harmonisierte und stärker zentralisierte Zulassungs- und Genehmigungsoption für Biozidprodukte auf europäischer Ebene. In der Artikel 95-Liste sind alle zugelassenen Biozid-Wirkstofflieferanten aufgeführt. Seit dem 1. September 2015 müssen Unternehmen, die Biozidprodukte herstellen oder in Verkehr bringen, sicherstellen, dass ihre Wirkstofflieferanten oder sie selbst in der Artikel-95-Liste der Biozidprodukte-Verordnung aufgeführt sind.“

In der täglichen Praxis kommen dann folgende Herausforderungen dazu, weiß David Stolper: “Für Kunden, die keine Überwachungsstrategie implementiert haben, lautet eine Kernfrage häufig erst einmal, wie sie ihren Reinigungserfolg prüfen können. Eine weitere Herausforderung liegt für viele in der regelmäßigen Schulung des Reinigungspersonals, einfach weil das Zeit und Ressourcen benötigt. Ein weiterer Punkt mit großem Zeitaufwandfaktor ist die Dokumentation der Reinigung und Schulung.

Darüber hinaus müssen wir gemeinsam mit unseren Kunden regelmäßig alle SOPs sowie Hygiene- und Reinigungspläne überarbeiten, um dauerhaft eine Reinigung im Sinne des GMP Annex 1 zu gewährleisten. Das beinhaltet zum Teil auch die Umstellung von Prozessen bezüglich verwendeter Reinigungsmittel, den Reinigungsfrequenzen, Schulungsinhalten, etc. All in all ist es immer wieder der Zeitaufwand, der eine Herausforderung darstellt.”, so David Stolper. 

Mike Verkuijlen weist ergänzend noch darauf hin: „Wenn ein Kunde die Reinigung an einen spezialisierten Dienstleister outsourced und die eingesetzten Desinfektionsmittel Rückstände hinterlassen, muss die regelmäßige Abreinigung gemäß Risikoanalyse Teil der Beauftragung sein.” 

 

Welche Strategien oder Ansätze empfehlt ihr, um die kontinuierliche Einhaltung der Richtlinien für Reinraumreinigungskonzepte zu gewährleisten?

“Ein Punkt ist die gerade genannte Abreinigung von Desinfektionsmittelrückständen. In der Richtlinie ist die Formulierung leider nicht eindeutig, denn es steht lediglich „wird empfohlen“. Für die Abreinigung ist in der Regel jedoch ein dritter Reinigungsschritt oder eine gänzliche Umstellung der verwendeten Mittel vorzusehen. Die Frequenz hierfür muss im Rahmen einer Risikobewertung durch den Kunden festgelegt werden. Meine Empfehlung lautet hierzu: verwenden Sie nach Möglichkeit Desinfektionsmittel ohne Schichtaufbau.”, sagt David Stolper.

Mike Verkuijlen ergänzt: “Ich empfehle auch das Desinfektionsmittel regelmäßig zu wechseln, dass die Wirksamkeit gegen Bakterien und Pilze gewährleistet bleibt. Aber auch hier ist wichtig: Ablagerungen und Rückstände vor der Anwendung eines neuen Mittels müssen gründlich entfernt werden!”

Eine weitere Empfehlung von David Stolper geht auf die Dokumentation. “Bauen Sie digitale Dokumentation und Prozesse verstärkt aus. Das gilt auch für SOPs. Je besser eine Organisation ihre administrativen Prozesse digitalisiert, desto effizienter und agiler lassen sich derartige Planungs- und Reportingaufgaben bewältigen.“

Laura Giblin ergänzt den Aspekt der Schulungen. “In Abschnitt 7 wird beschrieben, wie das Personal entsprechend qualifiziert, geschult und erfahren sein muss, um Reinigungsaufgaben in einer kontrollierten Umgebung durchzuführen. Kunden sollten regelmäßige Schulungen und einen jährlichen Wissensaustausch einplanen, hier unterstützen gern unsere Kollegen der Reinraum Akademie.”

Abschließend weist David Stolper darauf hin: “Unternehmen sollten proaktiv in der Implementierung von Umstellungen im Sinne des GMP Annex 1 sein. Planen Sie ihre Strategie im Vorfeld gut, lassen Sie sich von Profis dazu beraten. Sinnvolle Investitionen helfen dabei, Produktionsausfälle durch non-compliance vorzubeugen.”

 

Danke, David Stolper, Mike Verkuijlen & Laura Giblin für eure Einschätzungen und den Austausch zu euren Erfahrungen!

 

Sie haben Herausforderungen rund um die Reinraumreinigung oder wollen diese verantwortungsvolle Aufgabe in Profihände geben? Dann zögern Sie nicht – unsere Reinigungsexperten beraten Sie gern.

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