Die Sicherheit von Menschen in Gebäuden steht an erster Stelle. Ein wesentlicher Bestandteil jedes Sicherheitskonzepts ist dabei die sorgfältige Planung von Fluchtwegen. Besonders wichtig ist die Frage, wann neben dem Hauptfluchtweg ein zweiter Fluchtweg, sogenannter Nebenfluchtweg erforderlich ist. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die Anforderungen und Regelungen gemäß der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.3.
Definition: Zweiter Fluchtweg

Ein Nebenfluchtweg, früher als zweiter Fluchtweg bezeichnet, ist eine zusätzliche Fluchtmöglichkeit, die wie der Hauptfluchtweg ins Freie oder in einen gesicherten Bereich führt. Seine Notwendigkeit ergibt sich aus der Gefahr, dass der Hauptfluchtweg in bestimmten Situationen nicht mehr sicher begehbar sein könnte. Dies kann verschiedene Gründe haben, die wir im Folgenden näher betrachten.
Wann ist ein zweiter Fluchtweg erforderlich?
Die Notwendigkeit eines Nebenfluchtwegs kann sich aus verschiedenen Gefährdungssituationen ergeben. Dazu zählt die Gefährdung des Hauptfluchtwegs durch Bereiche mit erhöhter Brandgefährdung oder Lagerung oder Verwendung von Gefahrstoffen in der Nähe. Auch bei gefährlichen Arbeiten, beispielsweise in Aufstellräumen für Dampfkesselanlagen, ist ein zweiter Fluchtweg unerlässlich.
Die Größe der Räumlichkeiten spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. In Produktions-, Lager- oder Werkstatträumen ist ab einer Grundfläche von 200 Quadratmetern ein Nebenfluchtweg vorgeschrieben. Bei sonstigen Arbeitsräumen, wie etwa Großraumbüros oder modernen Coworking Spaces, liegt diese Grenze bei 400 Quadratmetern.
Besondere Aufmerksamkeit gilt auch Gebäuden mit hohem Personenaufkommen. Falls die Anzahl der Menschen so hoch ist, dass eine geordnete Flucht über den Hauptfluchtweg nicht mehr gewährleistet werden kann, ist ein Nebenfluchtweg zwingend erforderlich. Dies betrifft insbesondere Versammlungsstätten, Schulen und Kindertageseinrichtungen, für die oft zusätzliche rechtliche Vorschriften gelten.
Technische Ausführung und Gestaltung
Bei der technischen Ausführung von Nebenfluchtwegen bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich sollten Treppen mit geraden Läufen bevorzugt werden. Ist dies nicht möglich, können alternativ auch Wendeltreppen, Spindeltreppen oder in bestimmten Fällen sogar Steigleitern als zweiter Fluchtweg zum Einsatz kommen. Die Wahl der geeigneten Variante sollte dabei stets nach der genannten Reihenfolge erfolgen. Auch Fahrsteige und Fahrtreppen sind im Verlauf von Nebenfluchtwegen zulässig.
Die Ausgänge können als normale Türen, Fenstertüren oder Schlupftüren in Toren ausgeführt sein.
Auch Notausstiege in Form von Fenstern, Luken oder Klappen sind möglich. Wichtig ist dabei, dass alle Türen und Notausstiege in Fluchtrichtung aufschlagen, wobei auch Schiebevarianten zulässig sind.
Die Mindestmaße sind dabei klar definiert: Notausstiege in Wandöffnungen müssen mindestens 0,90 Meter breit und 1,20 Meter hoch sein. Bei Notausstiegen in Boden- oder Deckenöffnungen ist eine Mindestgröße von 0,70 x 0,70 Meter oder ein Durchmesser von 0,70 Meter vorgeschrieben.
Kennzeichnung der Nebenfluchtwege

Die korrekte Kennzeichnung von Nebenfluchtwegen ist für deren Wirksamkeit von entscheidender Bedeutung. Jeder Ausgang oder Notausstieg muss deutlich gekennzeichnet sein. In vielen Fällen ist es auch erforderlich, den Weg zu diesem Ausgang zu markieren, etwa wenn sich der Notausgang in einem separaten Raum befindet.
Hierfür kommen standardisierte Sicherheitszeichen zum Einsatz, wie das Zeichen "Notausstieg" (D-E019) oder "Notausstieg mit Fluchtleiter" (E016).
Zweiter Fluchtweg: Mögliche Ausnahmen

Es gibt Situationen, in denen auf einen Nebenfluchtweg verzichtet werden kann. Dies ist möglich, wenn durch zusätzliche Maßnahmen die sichere Begehbarkeit des Hauptfluchtweges gewährleistet ist.
In Bereichen mit erhöhter Brandgefährdung können dies beispielsweise Maßnahmen sein, die eine schnelle Brandausbreitung und Verrauchung verhindern. Auch wenn mehrere Hauptfluchtwege vorhanden sind, können diese als Nebenfluchtwege genutzt werden, sodass kein zweiter Fluchtweg erforderlich ist.
Sicherer Nebenfluchtweg mit Wassernebel

Eine innovative technische Alternative zum baulichen zweiten Fluchtweg stellt die Installation einer Niederdruck-Wassernebel-Löschanlage dar. Diese Lösung ist besonders interessant für Bestandsimmobilien, bei denen nachträgliche bauliche Veränderungen wie ein zusätzliches Fluchttreppenhaus mit erheblichem Aufwand verbunden wären.
Das System bietet mehrere Vorteile: Es ermöglicht nicht nur eine Wohnraumerweiterung ohne aufwendige bauliche Eingriffe, sondern gewährleistet auch die sichere Nutzung des vorhandenen Treppenhauses im Brandfall für alle Gebäudebewohner.
Gut zu wissen: Die Wirksamkeit dieser Alternative wird bereits von Behörden anerkannt - beispielsweise hat die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen einer deutschen Großstadt diese Lösung als verifizierten Ersatz für einen zweiten baulichen Nebenfluchtweg bestätigt.
Erster & zweiter Fluchtweg: Eine Investition für mehr Sicherheit
Die Planung und Einrichtung von Nebenfluchtwegen ist eine komplexe Aufgabe, die sowohl technisches Verständnis als auch fundierte Kenntnisse der rechtlichen Vorgaben erfordert.
Eine sorgfältige Umsetzung der Anforderungen ist essentiell für die Sicherheit aller Personen im Gebäude. Angesichts der Komplexität der Materie und der hohen Verantwortung empfiehlt es sich, Experten hinzuzuziehen, um die optimale Lösung für die spezifische Situation zu finden.
Die Investition in gut geplante Fluchtwege ist dabei immer eine Investition in die Sicherheit der Menschen im Gebäude.